·
Wohin steuert die Energiewende, Frau Reiche?
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) hat, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, einen Monitoringbericht zur...

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) hat, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, einen Monitoringbericht zur Energiewende in Deutschland in Auftrag gegeben. Nach Aussage der Bundeswirtschaftsministerin Reiche soll damit ein „Realitätscheck der Energiewende“ durchgeführt werden. Ist die Energiewende in Gefahr? In unserem Beitrag „Klimaneutralität: Wichtige To-dos für die Bundesregierung“, haben wir zentrale Themen, die anzugehen sind, um die Klimaziele zu erreichen, bereits beschrieben. Doch wird die aktuelle Regierung den eingeschlagenen Pfad weitergehen?
Es muss nachgesteuert werden, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen
Der Ausbau erneuerbarer Energien geht zwar voran, doch leider nicht schnell genug. Ausgebremst wird er von hoher Bürokratie, überlasteten Stromnetzen, die dringend ausgebaut werden müssen und langsam vorangehender Elektrifizierung, die im Bereich E-Mobilität auf Monopolstellungen und hohe Preise zurückzuführen ist. Es ist also nachzuvollziehen, dass die Wirtschaftsministerin genau hinschauen lässt, um Einspar- und Optimierungspotenziale zu finden. Doch welches Ziel hat der Monitoringbericht? Hat er die Klimaneutralität im Blick oder lediglich die Kosten? Dass die Klimawende Geld kostet, ist unumstritten.
Befürchtung, dass das Ziel der Klimaneutralität über Bord geworfen wird
Das Ziel der Ministerin Reiche ist nach eigener Aussage, „das Energiesystem grundlegend umzubauen, weil die Stromkosten nicht dauerhaft vom Staat bezuschusst werden könnten.“ Dabei geht es einerseits darum, die Staatsausgaben in den Griff zu bekommen und andererseits möchte sie Wege finden, die Stromsystemkosten deutlich zu senken – vielleicht auch, um vom Wortbruch der Bundesregierung abzulenken. Diese hat im Koalitionsvertrag einen Wegfall der Stromsteuer festgeschrieben – umgesetzt wurde dies nur für große Unternehmen. Kleine Betriebe und Privatpersonen bleiben weiter auf hohen Stromkosten sitzen.
Doch wie sollen die Stromkosten gesenkt werden? Erfolgt die finanzielle Entlastung nun auf Kosten des Klimaschutzes? Der Monitoringbericht soll bis September 2025 vorliegen, dann haben wir Gewissheit.
Wie aussagekräftig wird der Monitoringbericht sein?
Leider gibt es Anzeichen, dass die Voraussetzungen für dieses Monitoring nicht neutral sind. Deshalb hat Germanwatch beim Energie-Experten Dr. Tim Meyer eine Kurzstudie beauftragt, die sowohl die Auftragsbeschreibung für das Energiewende-Monitoring als auch die genannten Studien kritisch hinterfragt. Das Ergebnis ist erschreckend. Die Bundesregierung scheint nur eine „Beobachterrolle“ einzunehmen, denn die einbezogenen Szenarien gehen von einer Weiterführung des Status quo aus. Außerdem sind Annahmen wenig transparent und Rückschlüsse auf Kosteneinsparungen kaum nachvollziehbar. Die Kurzstudie liefert detailliertere Informationen.
Wäre es nicht vielmehr wichtig, Prozesse aktiv zu gestalten und neu zu denken, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen? Ein Hinweis auf eine Rückentwicklung in Sachen Energiewende ist daran zu erkennen, dass vermehrt Gaskraftwerke ans Netz genommen werden sollen und der Ausbau der Stromnetze ausgebremst wird. „Es gilt: Netzoptimierung vor Netzausbau“, so Reiche. Dabei ist ein Netzausbau zwingend erforderlich, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben.
Unser Fazit
Zeit ist schon seit Jahren eine relevante Größe im Klimaschutz. Deutschland hängt hinter seinen Zielen hinterher und statt weiter an Bürokratieabbau, einer verstärkten Nutzung von Speichern, dem Ausbau der Digitalisierung und vielem mehr zu arbeiten, scheint die Lösung der Ministerin eine Abkehr von erneuerbaren Energien zu sein. Wir können mit dem Ausbau erneuerbarer Energien aber nicht warten, bis endlich irgendwann die Netze modernisiert sind – nicht, wenn das im Grundgesetz verankerte Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreicht werden soll. Druck könnte zudem zukünftig auch vom Gesetzgeber kommen, nachdem der Internationale Gerichtshof (IGH) in einem Rechtsgutachten im Juli dieses Jahres eine saubere Umwelt als Menschenrecht eingestuft hat.
Bild von Colin Behrens auf Pixabay